Am 1. September
regnete es und es war sehr dunkel draussen. Wir malten zum ersten Mal drinnen
in einem grossen Raum. Zwei Mädchen, die beide noch nicht so gut Deutsch
sprechen, haben am Vormittag mit einer Seniorin über ihre Familien gesprochen.
Ihre Partnerin war eine betagte Frau, sie sitzt öfters alleine im Eingang und
schaut zu wer da so kommt und geht. Sie spricht nicht viel und sie benötigt
einen Moment Zeit, bis sie antwortet.
Das war eine spannende Partnerschaft,
gegensätzlicher könnten die Paare nicht sein. Aber die kleineren Kids sind unkompliziert und sie sprechen die alten Leute öfters auch per DU an und sie
scheuen auch den Köperkontakt überhaupt nicht.
Wenn es nötig ist helfen sie den
Betagten gerne beim Malen und zeigen ihnen spontan wie sie es besser machen
können. Auf den MEMORY Bildern sind nun zwei fröhliche Familien mit vielen
Kindern abgebildet, auch die Seniorin stammt aus einer zahlreichen Familie mit
6 Kindern. Die schweigsame Frau taute zunehmend auf. Die daneben sitzenden
„Männer“, d. h., ein Zweitklässler und ein schwerhöriger über 90 Jähriger
sprachen über Heldengeschichten. So zeichnete der Zweitklässler schliesslich
sein Gegenüber als dieser ein Soldat war, natürlich in einer heutigen
Gameversion und der Senior zeichnete den kleinen Jungen als Fussballspieler.
Beide waren sehr vergnügt mit ihren Bildern beschäftigt.
Nach der Mittagpause
wechselte das Team auf beiden Seiten, es kamen 4 Kids, zwei Girls und zwei
Jungs und es kamen 6 Frauen und ein Mann. Da war ganz offensichtlich etwas bei
den Partnerschaften und Zeiten durcheinander geraten, lustig.
Auch die
schweigsame Frau kam am Nachmittag wieder pünktlich und sie wollte unbedingt
nochmals malen! Sie war nicht zu vertrösten, sie solle etwa eine Stunde später
wieder kommen, so sprang Diego als Partner spontan ein und sie unterhielten
sich miteinander über ihre je erste Erinnerung.
Und der Mann der auf dem
Programm war kam nur um mitzuteilen, dass er heute nicht malen mag. So sprang
eine Frau ein, die eigentlich nur etwas an ihrem an einem vorherigen Tag
gemalten Bild korrigieren wollte. Eine weitere Seniorin kam zu früh und war
froh, dass sie ihren Mittagsschlaf verlängern konnte und kam dann wieder gegen
16h. So startete Heba mit ihrer Partnerin, die eine Kunstliebhaberin ist und
uns anschliessend auf ihrer Abteilung im Wohnessraum und in ihrem Zimmer
mehrere Moehsnang Originalwerke zeigte. Phantastisch! Heba war sehr
beeindruckt! Die beiden unterhielten sich über „Wovor hast du Angst“? und die
Seniorin musste Heba’s Angst vor Schlangen und Spinnen malen und Heba malte ein
nächtliches Gewitter. Die beiden verstanden sich ausgezeichnet!
Heba hatte nach
dieser Begegnung noch eine andere Partnerin, mit der sie sich über ein Geschenk
austauschte und sie mallte einen goldenen Ring mit einem grünen Smaragd, der
die Seniorin sehr freute. Sie beobachtete genau, ob Heba den Ring auch nach
ihrer Vorstellung malte, denn der Ring wurde ihr gestohlen. Sehr zufrieden
stellte sie am Schluss fest, dass der Ring wirklich grosse Ähnlichkeit mit dem
verlorenen Ring hat!
Und Ihab hatte eine sehr aufgestellte Partnerin die sehr
lustige und lebhafte Geschichten erzählte. Sie fanden und tauschten sich
miteinander über das Thema „Meine grösste Dummheit“ aus und sie hatten viel
Spass miteinander, weil auch Ihab ein sehr amüsanter Kerl ist.
Eine Jugendliche
musste unvorhergesehen auf ihre kleine Cousine aufpassen, so nahm sie die
Mädchen einfach mit und setzte es auf einen Stuhl neben sich. Sie richtete ihr
den Malplatz ein und liess sie auch eine quadratische Pavatexplatte bemalen.
Sie achtete dabei darauf der kleinen Künstlerin immer wieder die Farbschälchen
auszutauschen und den Pinsel von Zeit zu Zeit zu waschen. Köstlich die beiden.
Gleichzeitig unterhielt sie sich mit ihrer Partnerin über „Den grössten Wunsch“
und beide malten tolle Bilder dazu, eine Reise und ein Hund.
Nicht vergessen
will ich noch die letzten Beiden an diesem Nachmittag, die wohl älteste
Teilnehmerin (mit 92 Jahren) freute sich riesig auf N., einer unser kleinen
Sonnenscheine. Er erzählt sehr gern Geschichten und stellt ebenso gern viele
Fragen. Und auch die Seniorin ist immer noch sehr quicklebendig und auch sie
berichtet gerne. Sie hatte grosse Freude an der Begegnung mit dem intelligenten
Buben, dessen Bild von ihrem Unglück erzählt. Sie liegt im Spital im
Krankenbett. Rechts neben dem Bett steht die Krankenschwester mit blondem Haar
und auf der linken Seite der Doktor. Sie selber gab sich viel Mühe und malte
sehr konzentriert ein Bild das vom Sturz des Jungen über das Lenkrad bei seinem
Velounfall erzählt. „Ist viel Blut geflossen“? fragte die Seniorin. „Ja, sehr
viel Blut! Von oben von der Stirn ist es bis auf den Boden herunter
gelaufen...“ antwortete er. Zum Abschluss malte sie am Strassenrand noch ein
Rasenbord.
Fazit zum MEMORY
Projekt: Da waren intensive Erlebnisse und Gefühle auf beiden Seiten und die
Kids bemerkten, dass die alten Leute genau gleich wie sie selber fühlen und
immer noch Träumen und Wünsche haben. Es kamen oft nicht einfach Fragen wie war
die Musik früher oder welche Musik habt ihr früher gehört, sondern die Kids
wollten mehr wissen. Sie wollten wissen wie sie Musik fühlten und wie sie das
Tanzen erlebten... Und sie freuten sich sehr darüber als die älteste der
TeilnehmerInnen sagte, sie tanze viel lieber so wie man heute tanze, frei, für
sich alleine oder mit allen zusammen auf der ganzen Tanzfläche in Kontakt.
Nicht
so wie früher, als Pärli, die sich mit exakten Walzertanzschritten im Kreis
drehten. Das gefiel ihr nicht so... Oder die Kids fanden es megakuhhhl beim
Date im Zweiplätzer Sportwagen Austin über’s Land ausgefahren zu werden statt
im mc donalds fooden zu gehen...
Und sie fühlten sich verstanden, wenn sich
auch die alten Leute immer noch vor heftigen Gewittern und Spinnen fürchten.
Und Crèmeschnitten isst man auch Lebenslang am liebsten! Und alle brauchten sie
Mut, Bilder über die Erzählungen zu malen, alle spürten ihre anfänglichen
Startschwierigkeiten die es zu überwinden galt. Bei sämtlichen Gruppen konnte
man nach dem Beginn der Malereien bei Alt und Jung eine grosse Konzentration
wahrnehmen, wo es still wurde, wo sie mit sich selber und dem was auf der
Malfläche passierte beschäftigt waren,
Momente wo sie um den (für sie selber)
„richtigen“ Ausdruck kämpften. Dann die Erleichterung als die Bilder konkretere
Formen annahmen und man die Bilder einander zeigte oder vom Gegenüber noch ein
Detail etwas genauer erklärt haben wollte... Das
Malen bringt eine ebenso reichhaltige Fülle an Gefühlen, Gedanken, Gerüchen und
Erinnerungen... in Gang wie die Farben auf der Palette! Zufriedenheit oder Gelöstheit schwebt im Raum wenn Malprozesse beendet
sind und bei vielen Menschen stellt sich ein Gefühl ein, dass die Zeit so
schnell vorbei ging... Schliesslich sind die gemalten MEMORY Bilder über die
Erzählungen der Anderen immer auch gemischt mit einem Anteil der eignen
Geschichten, Wahrnehmungen und Erlebnisse!
Am 5. September gibt es für die Kids von 13:30
bis 16:30h einen abschliessenden Workshop im Atelier vom kidswest an der
Kasparstrasse 15d. Ich werde die Kids auffordern, mit einem Bild über ihre
Erlebnisse mit den alten Leuten zu berichten. Und in der 3. Herbstferienwoche
findet am Mittwoch, 10. Oktober von 14-16h im Domicil Schwabgut
Normannenstrasse 1 ein wetteiferndes Spielen mit dem MEMORY zwischen den Kids
und SeniorInnen statt...
Sophie und Diego sind nun gefordert die Werke
der Kids für die Produktion der MEMORY Spiele zu fotografieren und die
Videoaufnahmen zu schneiden und ich stelle eine Diashow zusammen. Die
Präsentation des MEMORY Projekts findet am 18. Oktober von 19-20 Uhr im Domicil
Schwabgut statt.