Michael Stauffer führte im Rahmen der
Aktionswoche Bern gegen Rassismus mit den SchülerInnen aus dem Schulhaus Bethlehemacker auf dem Bärenplatz und in der näheren Umgebung eine Feldforschung zu oben erwähntem Thema durch.
Ich hatte mir
vorgenommen in den 3.0 Stunden zu versuchen mit den Schülern einen bewussten
Umgang zu trainieren, was Vorurteile sind, wie sie gemacht werden, wie sie
zerstört werden und wie man selber nicht in die Falle tappt Vorurteile weiter
zu verteilen. Oder selber dauernd welche einzusammeln.
Die Klasse bestand aus 80%
ausländischen Schweizer Schülerinnen und Schülern.
Die Lehrperson hat tatkräftig
mitgeholfen und wo nötig Sprachassistenz gemacht. Sie hat ein gutes Verhältnis
zu ihren Schülern, solche
Lehrpersonen wie Frau Oberli braucht es!
Das Training
bestand in angewandter Feldforschung. Wobei mein Ansatz ein doppelter war. Die
Schüler sollten durch das bewusste ansprechen von Passanten lernen durch Fragen
Vorurteile abzubauen, die Befragten wiederum haben ein Erlebnis mit
„Ausländern“ gehabt, das positiv war. Ich habe 5 Gruppen gebildet so wurden
insgesamt sicher 60 Menschen zu einer kurzen Interaktion verleitet. Die Befragungen
wurden in kleinen Gruppen durchgeführt. Die Gruppen hatten für die erste
Befragung verschiedene Vorgaben. Zwei Gruppen durfte nur Rentner befragen, zwei
Gruppen nur Jugendliche, eine Gruppe nur Ausländer.
Die erste
Befragung war einfach und schwierig zugleich. Die Frage lautete dreifach:
Was ist ein
guter Ausländer, was macht ein guter Ausländer, was denkt ein guter Ausländer.
Für mich war es total spannend diesen Prozess durch das Kameraauge beobachten zu dürfen und hier und dort ein paar Wortfetzen mithören zu können. Die Förderung der Solidarität, Toleranz und Verständnis zwischen fremden Kulturen kann nicht mit allgemein gültigen Regeln und Verhalten definiert werden. Über diesen Regeln gibt es unterschiedliche Geschichten.
Botschaften senden und empfangen, sich austauschen, interpretieren und lernen, behutsamer miteinander umzugehen, können Ängste vor dem Fremden abbauen helfen und Vorurteile beseitigen. Es kann viel bringen, durch wechselseitige Kommunikation und gemeinsame Handlungen miteinander-in-Beziehung-zu-treten, die Perspektiven zu wechseln und die Sicht anderer Menschen anzunehmen. Diese Fähigkeiten zu erlernen sind wichtig!
Mich persönlich interessiert die Frage sehr: Lässt sich bei Schülern eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Kulturen wecken, wenn sie sich frühzeitig und auf ungewohnte Weise intensiv mit diesen auseinandersetzen?
Nach der
Befragung durch die Kleingruppen habe ich die Klasse zusammengetrommelt und
eine kurze Auswertung der Befragung und der Antworten gemacht. Anbei eine unvollständige
Antwortliste.
1 Was ist ein guter Ausländer?
Einer der
probiert alles gleich zu machen, wie die hier sind.
Einer der
Respekt hat.
Einer der die
Sprache gut kann.
Einer der sich
anpassen kann,
sich
integrieren kann,
nett und nicht
frech ist.
Er ist
ansprechbar.
Er ist höflich,
lernte gut die Sprache und ist gut integriert.
2 Was macht ein guter Ausländer?
Er hat die
Menschen, die hier wohnen gern.
Er passt sich
der Kultur an.
Er schaffet,
und bleibt nicht einfach zu Hause rumsitzen.
Er macht alles
möglichst normal.
Er lernt etwas,
er macht einen guten Beruf.
Er spendet
seinen Verwandten Geld.
Er stellt gute
Fragen.
3 Was denkt ein guter Ausländer?
Er denkt an
sini Heimat.
Er denkt, dass
er seiner Familie helfen muss.
Er denkt an ein
besseres Leben, will anderen helfen.
Er schätzt die
Schweiz.
Er denkt ans
Geld.
Er denkt nur
das Beste über die Schweiz.
Er denkt an
seine Familie und hofft, dass es ihr gut geht.
Er denkt
positiv an die Schweiz, er mag die Schweiz.
In der zweiten
Interviewrunde ging es darum, die Passanten aufzufordern, sieben Fragen für
einen Einbürgerungstest zu formulieren. Diese Befragungsrunde wurde mit zwei
kurzen Rollenspielen abgeschlossen, einer spielte den Befrager, der andere
versuchte alles richtig zu beantworten, um den Schweizerpass zu erhalten.
Die Sammlung
aller Aufnahmeprüfungsfragen, habe ich der Lehrerin als weiter zu führende
Aufgabe mit auf den Weg gegeben.
Ein Notizblatt ist zurückgeblieben:
Welche 7 fragen müsste ein Ausländer beantworten können für einen Schweizerpass.
1) Wie viele Einwohner in der Schweiz
2) Wer ist der Präsident
3) Wie viel Kantone
4) Wie viele Bundesräte gibt es
5) Was schätzt er im diesem Land
6) Er muss eine Sprache von der Schweiz
7) Warum wil er einbürger werden
8) Wann war der Dingsschwur
Meine allgemeinen Bemerkungen.
Der Vorteil der
angewandten Soziologie liegt auf der Hand. Die jungen Ausländer werden direkt konfrontiert mit
allfälligen Vorstellungen, der durchschnittlichen Schweizer Bevölkerung, sie
lernen sich wahrnehmen, merken, was von ihnen erwartet wird, können sich
fragen, ist der Fragende zu allem fähig, was er von mir wünscht. Das befragen
in der Gruppe hat sofort zu angeregten Diskussionen unter den Schülern geführt,
sie konnten die Antworten werten und besprechen. Der Erfolg für die Schweizer
Bevölkerung ist darin zu sehen, sie erleben „echte“ Ausländer, die neugierig,
sprachkompetent, charmant, aufgeweckt und motiviert auf sie zukommen. Diese
„inszenierten“ Begegnungen, die via die Befragung ausgelöst wurden sind nur
draussen erlebbar und nicht in einem Schulzimmer.
Leider gab es
auch einen rassistischen Übergriff, den ich als ich ihn hörte in Luft auflösen
konnte, bevor es zu gröberen Eskalationen gekommen wäre. Ein junger,
offensichtlich gesundheitlich völlig neben der Hose stehender Schweizer hat
angefangen eine Gruppe als „Sau Ausländer“ zu beschimpfen, sagte Sachen wie:
„ich wohne hier, du nicht“ durch das sofortige Eingreifen und das Thematisieren
dieser Störung wurde auch hier Grundlagenerlebnispädagogik auf höchstem Niveau
veranstaltet.
Ich hätte mir
einzig einen richtigen Rückzugsort gewünscht, in welchem man Erlebtes auswerten
und kurz vertiefen kann. Ansonsten finde ich diese Art des Angewandten
Unterrichtes sehr sinnvoll.
Tschau zäme, diese Feldforschung war sehr spannend und wir hatten viel gelacht miteinander!
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